Es war ein Tag, an dem die Luft im Hohen Haus förmlich brannte. Die Generaldebatte im Deutschen Bundestag, oft Bühne für rhetorische Scharmützel, wurde diesmal zum Schauplatz eines, wie es COMPACT-TV nennt, „epischen Duells“: Alice Weidel gegen Friedrich Merz. Die blonde Oppositionsführerin gegen den „grauen Kanzler“ der Union. Eine Auseinandersetzung, die unterschiedlicher kaum sein könnte und die zeigt, wie tief die Gräben in der deutschen Politik mittlerweile sind.
Merz im „Autopilot“?
Den Auftakt der Analyse von Paul Klemm und Jürgen Elsässer macht Friedrich Merz. Und das Urteil fällt vernichtend aus. „Komplett langweilig“ sei seine Rede gewesen, so Klemm. Ein Bildkommentar, der in der Sendung zitiert wird, vergleicht den CDU-Chef mit einem „angeschlagenen Trainer, dessen Mannschaft im Tabellenkeller festhängt“. Merz wirke „zombiehaft“, laufe auf „Autopilot“ und lese starr von seinen Zetteln ab, während er mantramäßig die angeblichen Erfolge seiner Politik wiederhole.

Inhaltlich wird Merz vorgeworfen, völlig an der Realität der Bürger vorbei zu reden. Während draußen die Wirtschaft ächzt und die Migrationskrise das Stadtbild verändert, spricht Merz über „Quantentechnologie“ und „künstliche Intelligenz“. Eine Rede wie auf einem „internen Symposium“, fernab der Sorgen des kleinen Mannes. Besonders kritisch wird seine Haltung zum Ukraine-Krieg gesehen: Weitere Milliardenhilfen und Durchhalteparolen stoßen bei den Kritikern auf Unverständnis. „Er redet so, als ob er die Wähler vom Hof jagen will“, kommentiert Elsässer trocken.
Weidels Titanic-Vergleich: Ein Bild, das sitzt
Ganz anders der Auftritt von Alice Weidel. „Feurig“, „offen“ und mit viel Körpersprache präsentierte sie sich am Rednerpult. Ihr Einstieg war ein rhetorischer Paukenschlag: Sie verglich die Ampel-Koalition im „Endstadium“ mit der Brücke der Titanic. Deutschland habe Schlagseite, die Schotten liefen voll, aber die Regierung lasse die Bordkapelle weiter Beruhigungsmelodien spielen.
Weidel identifizierte nicht nur einen, sondern gleich fünf „Eisberge“, die das Staatsschiff bedrohen:
Energiekrise
Rezession
Migrationskrise
Schuldenberg
Sozialstaatskrise
Mit diesem Bild gelang es ihr, die komplexe Gemengelage der aktuellen Krisen greifbar zu machen und emotional aufzuladen. Sie griff die Zwischenrufe der anderen Fraktionen, die sie als „primitives Antifa-Geschrei“ abtat, direkt auf und nutzte sie für ihre Argumentation.
Der 12-Punkte-Plan und das Russland-Tabu
Kernstück ihrer Rede war ein „12-Punkte-Plan“, mit dem die AfD Deutschland wieder auf Kurs bringen will. Dazu gehören Klassiker wie Grenzkontrollen, Sach- statt Geldleistungen für Asylbewerber und der Abbau von Bürokratie. Doch den größten Aufschrei provozierte sie mit ihrer Forderung zur Energiepolitik.

„Wir müssen Erdgas und Erdöl dort kaufen, wo es am günstigsten ist. Und das ist in Russland. Und das ist in unserem nationalen Interesse“, rief Weidel in den Saal. Ein Tabubruch, der bei CDU und Grünen für Schnappatmung sorgte. Paul Ziemiak (CDU) bezeichnete die AfD daraufhin als „Putins Papageien“. Doch Weidel legte nach und behauptete, selbst die USA unter Trump würden nationale Interessen verfolgen – und implizierte, Deutschland solle es ihnen gleichtun.
Interessant war dabei auch die Beobachtung der COMPACT-Analysten zur innerparteilichen Harmonie der AfD. Tino Chrupalla, der in den letzten Wochen angeblich im Clinch mit Weidel lag, applaudierte demonstrativ und wirkte sichtlich zufrieden. Ein Zeichen der Geschlossenheit?
Kritische Töne: Wo bleibt die Konsequenz?
Doch die Analyse von Klemm und Elsässer ist keine reine Lobeshymne. Es gibt auch kritische Töne an die Adresse von Alice Weidel. Ein Schwachpunkt sei ihre Argumentation zur Rente. Die Forderung nach einer „kapitalgedeckten Säule“ erinnere fatal an die gescheiterte Riester-Rente und das „Zocken am Casino-Markt“, so Elsässer.
Noch schwerer wiegt für die Kritiker jedoch ein strategisches Versäumnis: Weidel habe das Thema Neuwahlen nicht offensiv genug gefordert. Angesichts der Titanic-Metapher und dem bevorstehenden Showdown in der Rentenfrage hätte man eine klarere Ansage erwartet. Warum bietet sie der Union am Ende ihrer Rede die Zusammenarbeit an („Wir stehen bereit“), anstatt den sofortigen Bruch und Neuwahlen zu verlangen? Hier bleibt Weidels Strategie vage.
Die „Schlagfertigkeit“ der anderen
Auch die politischen Gegner kamen zu Wort, wenn auch eher als unfreiwillige Stichwortgeber. Britta Haßelmann (Grüne) warnte in gewohnt alarmistischem Ton vor den Gefahren der AfD für die Sicherheit Europas. Tino Chrupalla konterte Angriffe der SPD mit dem Vorwurf, diese sei für die Deindustrialisierung und Arbeitslosigkeit verantwortlich („Arbeitslosigkeit für Deutschland“).
Fazit
Die Generaldebatte hat gezeigt: Der Wahlkampf hat längst begonnen, und er wird mit härtesten Bandagen geführt. Während Friedrich Merz versucht, staatstragend zu wirken, aber dabei oft blass bleibt, setzt Alice Weidel auf volle Konfrontation und Tabubrüche. Ihr Titanic-Vergleich dürfte hängen bleiben. Doch ob ihr 12-Punkte-Plan und das Angebot an die unzufriedene CDU-Basis politisch verfangen, bleibt abzuwarten. Die Kritiker von rechts mahnen jedenfalls zur Vorsicht: Schöne Reden allein reichen nicht, wenn die strategische Konsequenz fehlt. Es bleibt spannend im „Endkampf“ um die Zukunft Deutschlands.




