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Vogesen 1916: Das geheime Schwimmbad hinter der Front.H
Mitten im Ersten Weltkrieg, in den abgelegenen Bergen der Vogesen, existierte ein Ort, den man in einem solchen Umfeld kaum erwarten würde: ein von deutschen Soldaten angelegtes Schwimmbad direkt hinter der Frontlinie des Schlachtfeldes Tête du Violu. In einer Zeit, die geprägt war von Schützengräben, Artilleriebeschuss, Müdigkeit und der ständigen Bedrohung des Todes, scheint die Vorstellung eines Schwimmbads fast unwirklich. Doch gerade dieses ungewöhnliche Bauwerk ermöglicht uns einen seltenen Einblick in die menschliche Seite des Krieges – jenseits von Strategien, militärischen Bewegungen und politischen Entscheidungen. Die Front in den Vogesen stellte für viele Soldaten eine der härtesten Kriegsumgebungen dar.

Das Gelände war steil, dicht bewaldet und oft von Nebel oder Schnee verhüllt. Wind und Kälte konnten ebenso erbarmungslos sein wie jede feindliche Stellung. Unter diesen Bedingungen war der Alltag der Soldaten durch Erschöpfung, körperliche Belastung und ein dauerhaftes Gefühl der Unsicherheit gekennzeichnet. Hygiene war ein besonders großes Problem. Krankheiten, Läusebefall und Hautinfektionen drohten ständig. Wasser war zwar vorhanden, aber selten sauber genug, um es gefahrlos zu nutzen. Dennoch fanden die Soldaten an einem Bachlauf eine konstante Quelle klaren Gebirgswassers.

Aus praktischer Notwendigkeit und dem Wunsch nach ein wenig Normalität begannen sie, diesen Ort zu gestalten. Mit Steinen, Erde und Holz formten sie ein Becken – zunächst einfach, später stabil und überraschend gut gebaut. Es war nicht als Freizeitbad gedacht. Es diente dazu, sich zu waschen, Kleidung zu reinigen und die Gesundheit zu bewahren. Doch sehr schnell wurde es mehr als das. Viele Soldaten, die vor dem Krieg Maurer, Zimmerleute oder Steinmetze gewesen waren, setzten ihre zivilen Fähigkeiten ein. Sie schufen stabile Ränder, glätteten Stufen, leiteten Quellwasser so, dass es zirkulieren konnte.
So entstand ein Ort, der inmitten der Härte des Krieges wie ein Stück Alltagsleben wirkte – eine kurze Rückkehr zu etwas Bekanntem. Es gibt historische Aufnahmen, die Soldaten lachend oder schwimmend zeigen, in Badehosen oder einfach im Unterhemd. Diese Bilder wirken im ersten Moment fast friedlich, doch wenn man näher hinsieht, erkennt man die Müdigkeit in den Augen, die Schwere in den Schultern. Das Wasser bot nicht nur Reinigung, sondern auch einen Moment der Erholung, des Durchatmens, ein Innehalten zwischen Alarmbereitschaft und Angst. Hier, im kühlen Wasser der Berge, wurden die Männer wieder zu Menschen, nicht nur zu Soldaten. Der Kontrast hätte stärker nicht sein können: nur wenige hundert Meter entfernt lagen Stacheldrahtverhaue, Schützengräben, Kommandoposten und Beobachtungsstellen. Artillerie konnte jederzeit feuern. Und trotzdem stand dort dieses klare, ruhige Becken, fast wie ein Widerspruch zu allem, was Krieg ausmacht. Die Soldaten wussten, dass dieser Ort keine Flucht bedeutete. Er brachte keinen Frieden, kein Ende des Leids. Doch er bot einen kurzen Moment innerer Ruhe, und das allein war überlebenswichtig. Kameradschaft spielte dabei eine große Rolle. Gemeinsam im Wasser zu stehen, zu reden oder einfach zu schweigen, schuf Nähe. Viele Soldaten berichteten später, dass solche Augenblicke entscheidend dafür waren, die psychische Belastung auszuhalten. Der Krieg wurde nicht erträglicher – aber die Menschen trugen ihn gemeinsam. Heute sind die Überreste des Schwimmbads von Moos und Gras überwachsen. Der Wald hat den Ort zurückgenommen. Wer ihn besucht, muss genau hinschauen, um zu erkennen, was einst dort war. Und doch liegt in diesem stillen, verlassenen Becken ein starkes Echo der Vergangenheit. Es erinnert uns daran, dass Geschichte nicht nur aus Schlachten und Daten besteht, sondern aus Menschen. Menschen, die trotz Leid versuchten, Hoffnung zu bewahren. Dieses Schwimmbad ist kein Denkmal des Krieges, sondern ein Zeugnis des Lebens im Krieg. Es zeigt nicht Sieg oder Niederlage, sondern Menschlichkeit. Es erzählt von dem Bedürfnis nach Würde, Wärme und einem Moment Frieden – selbst dort, wo der Krieg allgegenwärtig war. Und vielleicht liegt gerade darin seine Bedeutung: Die Erinnerung daran, dass selbst in einer Welt voller Gewalt das Menschliche niemals vollständig verschwindet.




