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Das Leben der Zilli Schmidt: Von Auschwitz und Ravensbrück zur Stimme des Erinnerns – die bewegende Geschichte einer deutschen Sinti-Frau, die den Holocaust überlebte und erst mit über 90 Jahren begann, ihre Geschichte zu erzählen.H

Zilli Schmidt wurde 1924 in Deutschland geboren – als Angehörige der Sinti, einer seit Jahrhunderten in Europa lebenden Minderheit. Ihr Leben begann in einer Zeit, in der Vorurteile und Diskriminierung gegenüber Roma und Sinti bereits tief in der Gesellschaft verwurzelt waren. Doch was nach 1933, mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten, geschah, übertraf alles an Grausamkeit, das sich jemand vorstellen konnte.

An elderly person with glasses and curly hair smiling while sitting in a floral armchair.

Als junges Mädchen erlebte Zilli, wie sich ihr Alltag radikal veränderte. Sinti und Roma wurden systematisch verfolgt, entrechtet und schließlich deportiert. Ihre Familie wurde auseinandergerissen. Im Jahr 1943 wurde auch Zilli nach Auschwitz-Birkenau verschleppt – in das sogenannte „Zigeunerlager“ (offiziell: Familienlager der Roma und Sinti), in dem mehr als 23.000 Menschen eingesperrt waren.

Die Bedingungen dort waren unvorstellbar: Hunger, Krankheiten, Misshandlungen und ständige Angst vor dem Tod. Zilli verlor fast ihre gesamte Familie – ihre Eltern, ihre Geschwister und ihre kleine Tochter, gerade einmal vier Jahre alt, die im August 1944 während der „Liquidierung des Zigeunerlagers“ ermordet wurde. Dieses Datum, der 2. August 1944, gilt heute als Gedenktag für die ermordeten Roma und Sinti im Holocaust.

Zilli selbst überlebte – durch Zufall, durch Mut und durch den unerschütterlichen Willen, am Leben zu bleiben. Sie wurde nach Ravensbrück, das Frauenkonzentrationslager nördlich von Berlin, gebracht. Dort herrschten unmenschliche Zustände: Hunger, Zwangsarbeit, Krankheiten, medizinische Experimente. Und doch gelang ihr etwas, das kaum jemandem gelang – sie flüchtete.

Nach dem Krieg stand sie vor einem Scherbenhaufen: fast alle Angehörigen waren tot, ihre Heimat zerstört, ihre Identität gebrandmarkt. Doch Zilli gab nicht auf. Sie baute sich ein neues Leben auf, heiratete erneut und gründete eine Familie. Viele Jahrzehnte sprach sie nicht über das, was sie erlebt hatte. Wie so viele Überlebende trug sie ihr Leid still in sich – zu groß war die Angst vor erneuter Ablehnung, zu tief die Wunden der Vergangenheit.

Erst im hohen Alter, nach ihrem 90. Geburtstag, begann sie, öffentlich zu sprechen. Sie erzählte ihre Geschichte an Schulen, bei Gedenkveranstaltungen und in Interviews. Ihre Stimme war ruhig, aber eindringlich – eine Stimme, die aus dem Dunkel der Geschichte kam, um die Gegenwart zu mahnen.

Sie wollte, dass die Welt nicht vergisst, was geschehen war – und dass die Roma und Sinti, deren Leid im Holocaust lange Zeit verdrängt oder ignoriert wurde, endlich Gehör finden. Zilli Schmidt wurde zu einer wichtigen Zeitzeugin und Botschafterin der Erinnerung.

Im Jahr 2020 veröffentlichte sie ihr Buch:
📖 „Gott hatte einen Plan mit mir – Die Erinnerungen einer deutschen Sinti-Frau“
(„God Had Plans for Me: To Keep Alive the Memory of the German Sinti“).

In diesem Buch beschreibt sie mit ergreifender Ehrlichkeit, wie sie den Hass überlebte, die Liebe zu ihrem Kind verlor und dennoch nie die Hoffnung auf Menschlichkeit aufgab. Es ist nicht nur ein Bericht, sondern ein Vermächtnis – ein Aufruf, niemals wegzuschauen, wenn Menschen diskriminiert oder ausgegrenzt werden.

Zilli Schmidt wurde 2022 im Alter von 98 Jahren in Deutschland verabschiedet. Ihr Tod war das Ende eines langen Lebens, das von Leid, aber auch von Mut, Vergebung und Stärke geprägt war. Ihre Geschichte erinnert uns daran, dass selbst im dunkelsten Kapitel der Geschichte Hoffnung aufleuchten kann.

Heute gilt sie als eine der wichtigsten Stimmen der deutschen Sinti-Gemeinschaft. Ihre Erzählungen werden in Schulen und Gedenkstätten weitergegeben, um künftigen Generationen bewusst zu machen, wohin Rassismus und Hass führen können.

📜 Zillis Leben zeigt: Geschichte ist nicht nur Vergangenheit – sie lebt in den Erinnerungen der Menschen, die sie erlebt haben. Ihre Worte mahnen uns, Verantwortung zu übernehmen. Denn Erinnerung ist kein Rückblick, sondern ein Auftrag für die Zukunft.

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