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Im Dezember 1944, in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs, initiierte das nationalsozialistische Deutschland eine ungewöhnliche und bis heute viel diskutierte Militäroperation mit dem Namen „Operation Greif“. Ziel war es, während der Ardennenoffensive – auch bekannt als die Schlacht um die Ardennen – Verwirrung unter den alliierten Streitkräften zu stiften und durch Täuschung taktische Vorteile zu gewinnen. Der Plan wurde unter der Leitung von Otto Skorzeny, einem der bekanntesten deutschen Kommandoführer jener Zeit, entwickelt und umgesetzt. Skorzeny hatte sich zuvor durch die spektakuläre Befreiung Mussolinis international einen Namen gemacht.
Für die Operation wurden rund 150 Soldaten der Wehrmacht ausgewählt, die Englisch sprachen oder entsprechende Kenntnisse besaßen. Sie wurden sorgfältig auf ihre Rolle vorbereitet: Sie erhielten amerikanische Uniformen, alliierte Fahrzeuge und sogar gefälschte Papiere, um sich möglichst glaubwürdig als US-Soldaten ausgeben zu können. Diese Kommandos sollten hinter den feindlichen Linien operieren, Straßenschilder manipulieren, falsche Informationen verbreiten, militärische Kommunikation stören und durch gezielte Desinformation die Bewegungen der Alliierten behindern. Einige Teams versuchten auch, Brücken zu sichern oder zu zerstören, um Nachschubwege zu beeinflussen.
Die Operation war psychologisch geschickt angelegt: Durch das bewusste Spiel mit Täuschung, Misstrauen und Unsicherheit sollte eine allgemeine Verwirrung auf Seiten der Alliierten ausgelöst werden. Diese Wirkung zeigte sich schnell. In der Folge wurden in den amerikanischen Reihen verschärfte Sicherheitsmaßnahmen eingeführt. Soldaten wurden vermehrt befragt – unter anderem zu scheinbar banalen Details wie Baseballteams, Straßennamen in US-Städten oder kulturellen Eigenheiten –, um potenzielle Spione zu entlarven. Das führte teilweise zu Verzögerungen, Misstrauen innerhalb der Truppen und sogar zu Fehlverhaftungen.
Trotz der raffinierten Planung blieb der tatsächliche militärische Erfolg der Operation Greif begrenzt. Viele der eingesetzten Kommandos wurden gefasst, einige später hingerichtet, weil sie in feindlichen Uniformen agiert hatten – ein Vorgehen, das nach dem Kriegsrecht als unrechtmäßig galt. Diese Aspekte haben bis heute eine kontroverse Diskussion über Ethik, Moral und Regeln der Kriegsführung ausgelöst.
Rückblickend stellt die Operation Greif ein bemerkenswertes Kapitel in der Geschichte der psychologischen Kriegsführung dar. Sie zeigt, wie im Krieg nicht nur Feuerkraft, sondern auch Manipulation, Täuschung und die gezielte Beeinflussung der Wahrnehmung als strategische Mittel eingesetzt wurden. In der militärischen Forschung gilt sie als frühes Beispiel für sogenannte „unorthodoxe Kriegführung“ – eine Form der Kriegsführung, die nicht auf offenen Kampf, sondern auf Irreführung und psychologische Effekte setzt. Historisch gesehen liefert diese Operation wichtige Erkenntnisse darüber, wie Konflikte nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch im Kopf des Gegners geführt werden können.