Sie lassen uns erfrieren“ – Deutsche Kriegsgefangene werden von US-Soldaten im Schneesturm getragen.H
3. Februar 1945. Eiffel Hills, Westdeutschland. Eine einsame Straße schlängelt sich durch tiefen Schnee, vorbei an abgebrannten Bauernhöfen und abgestorbenen Bäumen. Amerikanische Lastwagen knattern im niedrigen Gang, die Ketten kratzen auf dem Eis, die Scheinwerfer leuchten schwach in der aufziehenden weißen Sturmwand.
arrow_forward_ios
Mehr lesen
00:00
00:01
01:31

Unter einem zerstörten Gebäude kauern zwölf deutsche Gefangene in einem dunklen Keller. Sicher, die Amerikaner werden abfahren und den Schneesturm das vollenden lassen, was der Krieg begonnen hat. Ihre gesamte Ausbildung lehrt sie dasselbe: Wer in die Gefangenschaft gerät, muss mit Hunger, Scham und gnadenloser Behandlung rechnen, besonders als Frau in deutscher Uniform. Doch als der Sturm näher rückt, spüren die Frauen Hände, die sie packen – nicht um zu schlagen oder zu stoßen, sondern um sie auf amerikanische Schultern zu heben und kilometerweit durch die eisige Kälte zu tragen.
Warum sollten Männer, die Freunde durch deutsche Waffen verloren hatten, ihr eigenes Leben riskieren, um genau jene Menschen zu retten, gegen die sie kämpfen sollten? Das ist kein Drehbuch. Es geschah in einer vergessenen Nacht auf einer vereisten Straße. Und es veränderte für die Anwesenden für immer, was Feind bedeutete.
Der Winter 1944/45 war für viele Soldaten der kälteste, den sie je erlebt hatten. In den Hügeln des Eiffelturms an der deutschen Westgrenze türmte sich der Schnee in dicken Verwehungen auf den zerfurchten Straßen. Der Wind schnitt wie ein Messer durch die zerrissenen Mäntel.
Selbst ohne Kugeln erstarrten Männer und Frauen im Schlaf. Der deutsche Großangriff in den Ardennen, die Ardennenoffensive, war gescheitert. Im Dezember und Januar waren über 19.000 amerikanische Soldaten gefallen, als sie die Deutschen zurückdrängten. Anfang Februar rückten die US-Einheiten nun Schritt für Schritt wieder in Richtung Rine vor. Für jeden gewonnenen Kilometer verlegten Pioniere etwa 500 Meter Stacheldraht und räumten tonnenweise Schutt beiseite, um zerstörte Dörfer in Nachschublinien zu verwandeln. Hinter der zusammenbrechenden deutschen Front herrschte Chaos.
Die Züge fuhren nicht mehr pünktlich. Befehle kamen verspätet oder gar nicht an. Unter den Nachzüglern auf den Straßen befanden sich Frauen der Vemach-Unterstützungseinheiten: Signalistinnen, Helferinnen, Schreiberinnen und Krankenschwestern. Viele waren kaum über zwanzig. Einige hatten sich der deutschen Frauenhilfsorganisation Helerinan angeschlossen, in der Hoffnung, in sicheren Städten Anrufe entgegennehmen und Briefe schreiben zu können.
Stattdessen hatte der Krieg sie an die Front getrieben. Eine Gruppe von insgesamt zwölf Frauen marschierte durch den Matsch vor einer kleinen Stadt, die die Amerikaner Hildorf nannten. Sie trugen Segeltuchrucksäcke und eine kleine Sanitätstasche. Ihre Stiefel waren dünn, die Säume ihrer grauen Uniformen durchnässt.
Schnee klebte an ihren Wollröcken und an den losen Haaren, die unter ihren Feldmützen hervorhingen. Man hatte ihnen vieles über den Feind erzählt. Im Unterricht und in lauten Radioansprachen hatten Nazi-Ausbilder behauptet, dass die Amerikaner deutsche Frauen beschämen, aushungern und vielleicht noch Schlimmeres tun würden, sollten sie jemals gefangen genommen werden. Kapitulation, so wurde ihnen eingeschärft, sei nicht nur feige, sondern gleichbedeutend mit dem Tod der Seele. Doch der Krieg um sie herum entsprach nicht diesen Erzählungen.
Während sie zu Fuß gingen, sahen sie deutsche Offiziere in Lastwagen vorbeifahren. Sie hörten, dass allein im Westen im letzten Monat über 100.000 deutsche Soldaten gefangen genommen worden waren. Einige waren unversehrt ins Hinterland getrieben worden, was nicht den Versprechungen der Propaganda entsprach. Eine der Frauen, Anna, trug ein kleines Notizbuch in ihrem Mantel.
Jahre später las ihr Sohn ihre Worte einem Historiker vor. „Wir fürchteten damals mehr die Kälte als den Feind“, hatte sie geschrieben. „Der Schnee machte keinen Unterschied, ob man Deutscher oder Amerikaner war. Er raffte die Schwachen gleichermaßen dahin. Die Kälte war allgegenwärtig. Der Atem stieg in weißen Wölkchen auf. Die Innenseiten der Frauenhandschuhe blieben feucht.“
Als sie einen halb abgebrannten Schuppen fanden, brachen sie verkohlte Bretter ab und versuchten, ein Feuer zu entzünden. Das Holz zischte und knisterte. Rauch brannte in ihren Augen und setzte sich in ihren Haaren fest. Ein paar Minuten lang spürten sie die Hitze auf ihren Gesichtern. Dann nahm der Wind auch diese. Der Widerspruch war einfach und grausam. Sie trugen die Uniform eines Regimes, das von Größe und Sieg sprach. Doch sie waren hungrig, froren und waren allein.
Das Dritte Reich beherrschte weiterhin die Medien mit Gerüchten über Geheimwaffen und den endgültigen Triumph. Am Boden schlurften zwölf Frauen einen zerstörten Weg entlang und tauschten ein Stück Brot, das für zwei Tage reichen musste. Über ihnen zogen amerikanische Flugzeuge gen Osten.
Im Januar 1945 hatten alliierte Bomber in einem einzigen Monat über 40.000 Tonnen Bomben auf Deutschland abgeworfen. Die Frauen hörten den fernen Donner, konnten die Bomber aber durch die tief hängenden Wolken nicht sehen. Sie sahen nur die Folgen: Zerstörte Brücken, rauchende Eisenbahnschienen und Dörfer, in denen mehr Mauern fehlten als standen. Nachts veränderten sich die Geräusche. Keine Motoren mehr am Himmel, nur noch das ferne Dröhnen der Artillerie und das Knirschen der gefrorenen Bäume in der Nähe.
Manchmal knackte es scharf, wenn ein eisbeladener Ast abbrach und zu Boden fiel. In der Dunkelheit klang es wie Gewehrfeuer, und die Frauen zuckten zusammen. Eines Nachts, zusammengepfercht im Keller eines halb verfallenen Schulhauses, lauschten sie dem Wind draußen und dem Atem der anderen. Die Luft roch nach feuchtem Putz, verbranntem Holz und ungewaschenen Körpern.
Sie besaßen einen kleinen Ofen und nur wenig Kohle. Leise stritten sie darüber, ob sie das Feuer am Brennen halten oder Brennstoff für den nächsten Tag sparen sollten. Schließlich ließen sie es fast abbrennen. „Wenn ich dann doch schlief, war der Schlaf dünn und voller Albträume. Uns wurde eingeschärft, dass wir niemals in Feindeshand fallen dürften“, schrieb Anna.
„Doch dort, in diesem Keller, begann ich zu denken: Schlimmer als das kann der Feind ja nicht sein. Jenseits der Stadt rückten amerikanische Patrouillen immer näher, zogen von Hof zu Hof, von Haus zu Haus, zählten Gefangene und kontrollierten Verkäufer nach versteckten Waffen. Sie hatten Wetterberichte in der Tasche: sinkende Temperaturen, Schneefall, wahrscheinlich ein Schneesturm innerhalb von 24 Stunden. Die Straßen würden bald lebensgefährlich sein.“
Die Wege der frierenden deutschen Frauen und der erschöpften amerikanischen Soldaten kreuzten sich gerade, als der schlimmste Sturm des Monats über die Eiffel-Hügel hinwegfegte. Im Morgengrauen erreichten die Amerikaner Hildorf. Ihre Stiefel hallten auf dem zerbrochenen Kopfsteinpflaster. Panzer und Lastwagen knatterten zwischen halb zerstörten Häusern hindurch.
Die Luft roch nach Diesel, Rauch und nassem Stein. Ein Gewehrzug eines Infanterieregiments rückte vor den Fahrzeugen vor und überprüfte Türen und Keller. In diesem Abschnitt hatte die 1. US-Armee in den letzten zwei Wochen über 10.000 Gefangene gemacht. Die meisten ergaben sich kampflos, einige wenige versteckten sich noch und schossen aus den Fenstern. Sergeant Tom Miller führte einen Trupp auf das alte Schulhaus zu. Glas knirschte unter seinen Stiefeln.
Eine Tafel lehnte an einer rissigen Wand, Kreidestaub vermischt mit Gips. Irgendwo unten hörte er ein leises Husten. Er bedeutete Ruhe. Die Männer hielten inne. Nur das Ticken eines fernen Motors und das leise Rauschen fallenden Schnees durchbrachen die Stille. Miller öffnete vorsichtig die Kellertür.
Eine Welle kalter, feuchter Luft traf sein Gesicht, der Geruch von Kohlenrauch und ungewaschenen Körpern lag in der Luft. Taschenlampen durchschnitten die Dunkelheit. Zwölf blasse Gesichter wandten sich dem Licht zu. Frauen, dünn und vor Erschöpfung grau, blinzelten und versuchten aufzustehen. Einige hoben gleichzeitig die Hände. Eine drückte eine Rotkreuz-Armbinde wie einen Schutzschild an ihre Brust. Einen Augenblick lang starrten beide Seiten einander an. Die Amerikaner hatten vielleicht einen Scharfschützen oder eine Nachhut erwartet.
Die Frauen hatten Männer mit harten Gesichtern und harten Händen erwartet. Stattdessen herrschte einen Moment der Überraschung. Eine der Frauen wollte etwas sagen. Doch „Miss Unsanitator“ und sie sagte „Sanitäter“. Ihre Stimme versagte. Eine andere Anna schrieb später: „Ich dachte, das ist das Ende. Jetzt werden sie all das tun, wovor wir gewarnt wurden.“
Miller verstand kein Deutsch, sah aber keine Waffen, nur Angst und dünne Mäntel. „Das sind Hilfstruppen“, sagte Sanitäter Korporal Diaz und deutete auf die Armbinde. „Sie sind halb erfroren.“ Sein Atem dampfte im Lichtkegel seiner Taschenlampe. „Draußen frischte der Wind auf und trieb Schnee durch die zerbrochenen Fenster hinter den feinen weißen Vorhängen.“
Im Gefechtsstand zwei Straßen weiter knisterte das Funkgerät der Kompanie mit neuen Befehlen. Die Stimme eines Stabsoffiziers drang emotionslos und eindringlich durch die Leitung. „Zurück zum Bergrücken bis Einbruch der Dunkelheit! Ein Schneesturm zieht auf. Keine Verzögerungen, keine verirrten Patrouillen. Der Wetterbericht der Division sagte es eindeutig: Die Temperaturen würden unter -15 Grad Celsius fallen.“
Windböen konnten Geschwindigkeiten von bis zu 60 km/h erreichen. Unter solchen Bedingungen erfror ungeschützte Haut innerhalb von Minuten. Lastwagen blieben stehen, Gewehre vereisten. Allein im Januar waren in Europa über 500 amerikanische Soldaten an den Folgen der Kälte gestorben. Nun wurde Millers Männern befohlen, sich zu beeilen. Die Straße nach Osten würde bald durch Schnee und Wracks blockiert sein.
Ihre Lastwagen waren bereits voll mit Männern und Vorräten. Es gab keinen freien Platz, zumindest nicht auf dem Papier. Unten im Keller beobachteten die Frauen, wie die Amerikaner in ihre Funkgeräte sprachen. Sie verstanden nur wenige Worte. „Gefangene 12 Frauen stürmen.“ Doch der Ton war eindeutig. Die Zeit drängte. Ein Soldat murmelte: „Wir können sie zur Kreuzung marschieren lassen und sie der nächsten Einheit überlassen.“ Ein anderer sagte nichts, sondern starrte auf die Füße der Frauen.
Drei von ihnen hatten so abgelaufene Stiefel, dass ihre nackten Zehen durch die Löcher lugten, lila vor Kälte. Anna schrieb: „Ich wartete darauf, dass sie entschieden, wer von uns gehen durfte und wer zurückbleiben sollte. Wir waren schließlich feindliche Soldaten, auch wenn wir uns nicht so fühlten. Das war der krasse Gegensatz auf der Karte.“
Diese zwölf Frauen waren nur Nummern, die von einer Spalte im Bericht in die nächste verschoben wurden. Im Keller zitterten sie, husteten und wischten sich den Rauch aus den Augen. Die Kriegsmaschinerie sah Statistiken. Die Männer sahen Menschen. Leutnant Harris, der Zugführer, kam die Treppe herunter und duckte sich unter einem zerbrochenen Balken hindurch. Schneeflocken wirbelten hinter ihm her. Er spürte die Kälte wie eine Hand im Nacken.
„Wir müssen diese Stadt räumen und uns zurückziehen“, sagte er zu Miller. „Die Lastwagen sind voll. Die Straßen sind spiegelglatt.“ Miller blickte von seinem Offizier zu den Frauen. „Sir, manche von ihnen können nicht mal eine Meile laufen, geschweige denn fünf“, sagte er leise. Diaz nickte. „Sie werden da draußen keine Stunde überleben“, fügte der Sanitäter hinzu. Später erzählte Harris einem Interviewer: „Die Standardantwort war einfach: Weitergehen.“
Die Nachhut sollte sich um sie kümmern, doch als man ihre Gesichter sah, war die Sache nicht mehr so einfach. Sie brachten die Frauen einzeln aus dem Keller. Der graue Himmel hing tief über dem Dorf. Schnee stach auf Wangen und Wimpern. Motoren liefen im Leerlauf und stießen Abgaswolken aus, die ölig und bitter rochen, aber Bewegung und Wärme verhießen.
Einige Frauen konnten humpelnd gehen und stützten sich gegenseitig an den Armen ab. Andere konnten kaum stehen. Eine brach zusammen, sobald sie die Straße erreichte, ihre Beine knickten unter ihr ein. Diaz tastete mit behandschuhten Fingern ihren Puls und fühlte den langsamen, schwachen Schlag. Über ihnen zogen weiße Wolken auf, die minütlich dichter wurden. Die ersten heftigen Böen des herannahenden Sturms trafen Männer und Frauen gleichermaßen und brachten sie ins Wanken.
Irgendwo hinter den Linien zählten Offiziere Meilen und Stunden. Hier am Rande von Hildorf musste eine kleine Gruppe Soldaten entscheiden, was diese Zahlen für die Leben vor ihnen bedeuteten. Der Sturm war fast da, und damit die Wahl zwischen Befehlsgehorsam und Gewissenspflicht.
Über Hillorf fiel dichter Schnee, während Männer und Frauen am Dorfrand warteten. Motoren liefen im Leerlauf, das Metall tickte beim Abkühlen. Die Luft war stechend vom Geruch von Abgasen, kaltem Eisen und dem schwachen Duft von verbranntem Holz, der aus den Ruinen der Häuser herüberwehte. Leutnant Harris stand neben dem vordersten LKW, das Funkgerät ans Ohr gepresst. Eine Stimme aus dem Bataillon wiederholte die gleiche Anweisung: Zurück zum Bergrücken vor Einbruch der Dunkelheit. Keine Verzögerungen.
Die Front musste verlegt werden. Artillerie und Treibstoff waren für die nächste Position bereits berechnet. Meile für Meile. Jeder Zwei-Tonnen-Lkw wurde voll beladen. Laut Vorschrift durfte ein Lkw etwa 25 voll ausgerüstete Soldaten transportieren. Heute beförderten die meisten eher 30 Soldaten, dazu noch Munitionskisten und Treibstoffkanister.
Im Handbuch stand nichts davon, dass man ein Dutzend halb erfrorene Feindinnen hinzufügen sollte. Sergeant Miller und Sanitäter Diaz gingen langsam die Reihe der Gefangenen entlang. Schnee knirschte unter ihren Stiefeln. Sie suchten Hände und Gesichter nach weißen, tauben Stellen von Erfrierungen ab. Von zwölf deutschen Frauen konnten ihrer Einschätzung nach vier nicht weit laufen. Drei weitere konnten nur mit Hilfe stehen. Diaz zog einen Handschuh aus und berührte einen nackten Fuß, an dem die Stiefelsohle gerissen war.
Die Haut fühlte sich an wie kaltes Wachs. „Sie schafft keinen Kilometer“, sagte er leise. „Nicht so.“ Ein Soldat in der Nähe rückte sein Gewehr zurecht. „Wir können sie nicht alle tragen“, murmelte er. „Wir kriegen sie nicht mal auf die Lastwagen. Befehl: Vorwärts, Sergeant.“ Das war der Kern des Problems. Auf dem Papier war Krieg übersichtlich. Pfeile auf Karten, Zahlenblöcke, Pläne in sauberer Tinte geschrieben.
In Wirklichkeit sah es so aus: zitternde Frauen mit blauen Lippen und erschöpfte Männer, die versuchten, Befehle mit ihrem Gewissen in Einklang zu bringen, während eisiger Wind alle von der Straße zu drängen drohte. Später sagte Harris einem Militärhistoriker: „Die juristische Antwort war einfach.“
Man sollte sie in einem Haus unterbringen, ihren Standort melden und die rückwärtigen Einheiten sie, wenn möglich, abholen lassen. Doch als ich sie ansah, wusste ich, dass die rückwärtigen Einheiten es nicht rechtzeitig durch den Sturm schaffen würden.“ Anna beobachtete die Gesichter der Männer, während sie sprachen. „Sie stritten untereinander“, schrieb sie. Einer zeigte auf unsere Füße und schüttelte den Kopf. Ein anderer blickte zum Himmel. Ich verstand die Worte nicht, aber ich verstand, dass es um unser Leben ging. Der Widerspruch traf mich tief.
Diese Frauen hatten die Uniform eines Staates getragen, der sich Härte und Opferbereitschaft rühmte. Nun, im Schnee, musste der Feind entscheiden, wie viel ihr Leben wert war. Harris rief seine Sergeanten zu sich. Schneeflocken hingen an seinen Augenbrauen. Sein Atem kam in kurzen, weißen Stößen. „Das Bataillon will uns vor Einbruch der Dunkelheit auf dem Bergrücken haben“, sagte er. „Die Fußsoldaten können die Lastwagen mitnehmen. Das sind vielleicht fünf.“
Das heißt, sieben sind nicht mehr marschfähig. Miller starrte zurück. „Sir, wenn wir sie zurücklassen und der Sturm kommt, wie befürchtet, dann ist es um sie geschehen“, antwortete er. „Wir haben diese Woche bereits über 200 Gefangene gemacht. Ich werde jetzt nicht anfangen, darüber zu entscheiden, wer erfriert.“ Einen Moment lang herrschte Stille. Der Wind zischte durch die kahlen Äste über der Straße. Von drinnen hörte man einen Lastwagen.
Aus einem Radio erklang leise Swingmusik, dünn und fremd in der Winterluft. „Wir könnten bei ihnen bleiben“, schlug Diaz vor. „Kleine Gruppe, zu Fuß marschieren, die Schlimmsten von der Straße holen, falls wir morgen aufholen müssen.“ Harris überschlug kurz im Kopf. Einen Trupp zurückzuhalten bedeutete weniger Gewehre an der nächsten Linie. Es bedeutete Männer, die er mit Namen kannte.
Miller, Diaz, Jenkins und O’Reilly wären bei dem Sturm im Freien gewesen. Es war riskant, ganz einfach. Aber es gab noch ein anderes Risiko, eines, das in keinem Bericht erwähnt würde. Wenn sie jetzt weggingen, würden sie diese Gesichter ihr Leben lang nicht vergessen. „Ich wollte meinen Enkeln eines Tages nicht erklären müssen, dass ich Mädchen wegen des schlechten Wetters im Graben zurückgelassen habe“, sagte er Jahre später.
Krieg ist grausam, aber er entschuldigt nicht alles. Schließlich ergriff er das Wort. „Wir lassen sie nicht im Stich“, sagte er. „Die, die laufen können, werden mit Lastwagen transportiert, dazu noch ein paar der leichteren Fälle. Miller, du nimmst einen Trupp und die übrigen Gefangenen. Ihr marschiert hinter der Kolonne. Wer nicht laufen kann, trägt ihn.“
Ein Soldat platzte heraus: „Sir, diese sechs, sieben Meilen hier werden bis zum Einbruch der Dunkelheit zugefroren sein.“ Harris sah ihm in die Augen. „Dann bewegen Sie sich schneller“, sagte er, obwohl er wusste, dass sie es nicht konnten. „Leiser“, fügte er hinzu. „Niemand wird hier im Graben sterben gelassen. Nicht unter meiner Aufsicht. Das ist ein Befehl.“ Anna erinnerte sich, wie ein Amerikaner näher kam und so tat, als würde er etwas auf den Rücken heben.
Er deutete auf mich, dann auf seine eigenen Schultern, schrieb sie. Erst da begriff ich es. Sie würden uns nicht verlassen. Nicht einmal die Schwächsten. Die Entscheidung verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Männer lockerten ihre Rucksäcke, wechselten ihre Ausrüstung und warfen Blicke auf die Frauen, die sie bald tragen würden. Die Lastwagen setzten sich in Bewegung, die Ketten klirrten auf dem Eis, die Rücklichter leuchteten rot durch die ersten dicken Schneeflocken.
Am Ende der Gruppe verließen Millers kleine Truppe und die sieben schwächsten Gefangenen die Straße und begaben sich in die weißen Felder. Zwischen Hildorf und dem fernen Bergrücken gab es keinen Schutz, nur Wind, Schneeverwehungen und einen langen, beschwerlichen Weg. Dann zog der Sturm auf, und aus Worten wurde Taten. Der Sturm kam schnell. Noch im einen Moment konnte Millers kleine Gruppe das rote Leuchten der LKW-Scheinwerfer vor sich sehen. Im nächsten Moment war alles weiß.
Der Schnee wirbelte seitwärts, dicht wie Rauch. Die Straße, die Gräben, die Felder – alles verschwand unter einem sich bewegenden Eisvorhang. Sie banden jedem ein Seil um die Hüfte. Amerikaner, Deutscher, Amerikaner, Deutscher. Miller ging voran, Das in der Mitte, ein weiterer Sergeant am Ende. Der Wind blies ihnen gegen die Brust und riss am Seil, versuchte, die Kette zu zerreißen.
Die Luft war eisig heiß. Bei 15 °C und Windböen von 60 km/h schnitt die Kälte durch die Mäntel bis auf die Knochen. Die Soldaten kannten die Zahlen. In jenem Winter würden über 11.000 amerikanische Soldaten in Europa Erfrierungen oder Schützengrabenfuß erleiden. Die Kälte war ein ebenso realer Feind wie jeder deutsche Schütze. Zwei der deutschen Frauen konnten überhaupt nicht mehr stehen. Miller hockte sich hin und ließ eine von ihnen auf seinen Rücken klettern.
Sie war leicht, vielleicht 45 Kilo, aber im tiefen Schnee fühlte sie sich doppelt so schwer. Der erst 19-jährige Soldat Jenkins trug eine andere Frau auf demselben Weg fort. Ihre Arme ruhten kraftlos um seinen Hals, die Finger steif in den dünnen Handschuhen. Anna ging mit der Hilfe von Diaz und einem anderen Soldaten. „Wir waren wie Kinder zwischen großen Vätern“, schrieb sie später. „Das Seil zog an meiner Taille, und ich konnte meine Füße nicht mehr sehen. Wenn ich hinunterblickte, verschluckte der Schnee jeden Laut.“
Die Stimmen klangen flach und dumpf. Nur der Wind hatte eine klare Stimme, ein langes, anschwellendes Heulen durch kahle Bäume und zerbrochene Zaunpfähle. Manchmal ruckte das Seil, wenn jemand in einer Schneewehe stolperte. Die Stiefel sanken bis zum Knie, dann bis zum Oberschenkel ein. Jeder Schritt war ein Kampf. Sie konnten die Lastwagen und das Dorf hinter sich nicht mehr sehen.
Die Welt war auf den Mann vor ihm geschrumpft, auf den Zug des Seils und den weißen Raum des nächsten Schrittes. Jenkins rutschte als Erster aus. Sein Fuß geriet in einen versteckten Graben, und er sank hart auf ein Knie, sein Gefangener stürzte neben ihm in den Schnee. Einige Sekunden lang lagen beide regungslos da. Diaz spürte, wie das Seil nachgab, und schrie auf, doch seine Worte wurden vom Wind verweht.
Miller blieb stehen, und die ganze Schlange staute sich. „Ich spüre meine Hände nicht“, keuchte Jenkins, als sie ihn hochzogen. Seine Lippen waren blass, sein Atem flach. Diaz packte sein Kinn und sah ihm in die Augen. „Du spürst sie genug, um dich zu beschweren“, antwortete der Sanitäter. „Das heißt, du musst weitergehen.“ Anna spürte ein schweres Schuldgefühl in der Brust.
„Ich wollte dem jungen Mann sagen, er solle mich in Ruhe lassen“, schrieb sie. „Ich war die Feindin. Warum sollte er vor mir erstarren? Aber ich hatte kein Wort auf Englisch, nur meine Augen.“ Der Widerspruch war eklatant. Diese Männer waren jahrelang darauf trainiert worden, Deutsche zu töten. Einige hatten im Herkaner Wald, nur wenige Dutzend Kilometer entfernt, Freunde verloren, wo 33.000 Amerikaner getötet oder verwundet worden waren.
Nun beugten sich dieselben Männer vor und mobilisierten ihre letzten Kräfte, um deutsche Frauen durch einen Sturm zu tragen, der sie alle das Leben kosten könnte. Sie versuchten, einen Rhythmus zu finden: 50 Schritte, dann eine kurze Pause, dann weitere 50. Diaz untersuchte ihre Finger und Wangen, wann immer sie anhielten, auf der Suche nach grauer, tauber Haut. „Schmerz ist gut“, sagte er ihnen. „Wenn es weh tut, lebt es noch.“
Eine der Frauen begann abzudriften, ihre Schritte wurden langsamer, ihr Kopf sank. Sie murmelte etwas Unverständliches auf Deutsch. Dann knickten ihre Beine einfach ein, und sie hing wie ein Sack am Seil. Ein Soldat hinter ihr fluchte. „Wir können keine mehr tragen, Sergeant!“, rief er. „Wir sind am Limit.“ Miller blickte durch den wirbelnden Schnee zurück.
Er sah ein junges Gesicht, blaue Lippen, halb geschlossene Augen. Er dachte an seine Schwester in Ohio, nur ein Jahr jünger. „Wir lassen sie nicht allein“, sagte er. „Wir wechseln uns ab. Zehn Minuten jeder. Legt eure Rucksäcke ab, wenn es sein muss.“ Widerwillig warfen zwei Männer ihre Rucksäcke ab. Essen, Ersatzsocken und zusätzliche Munition fielen in den Schnee. Die bewusstlose Frau wurde anfangs etwas ungeschickt hochgehoben.
Dann hievte man sie sicherer über die Schulter. Alle zehn Minuten nahm ein anderer Mann sie hoch, die Zähne zusammengebissen, der Atem stockend. Anna erinnerte sich an diesen Moment. „Sie ließen ihre Sachen fallen“, schrieb sie. „Für uns war diese Großzügigkeit unverständlich, von denen man uns gesagt hatte, wir seien Tiere.“ Die Zeit verlor ihre Bedeutung. Es mögen zwei oder vier Stunden gewesen sein.
Das Seil, der Wind, die Last auf ihren Rücken, das Brennen in ihren Beinen. Das waren die einzigen Mittel, die ihnen noch blieben. Einige Männer begannen, im Schnee Umrisse zu erkennen, die nicht da waren: dunkle Türen, Baumreihen, Lichter, die verschwanden, sobald sie näher kamen. Schließlich sah Diaz, halb blind vor Eis auf den Wimpern, einen schwachen orangefarbenen Schein vor sich. Diesmal kein Trugbild. Echtes Licht, gleichmäßig und schwach.
Dort rief er: „Licht!“ Sie drängten darauf zu, die Leine bog sich, das Seil spannte sich. Ein kleines Bauernhaus aus Stein kam in Sicht. Die Fenster waren mit Decken verstopft, daneben stand ein großes Zelt mit einem roten Kreuz, am Ende der neuen Linie die Feldlazarettstation. Stimmen drangen aus dem Schatten. Männer rannten hinaus, packten das Seil und nahmen den Amerikanern die Last der leblosen Körper von den Schultern.
Warme Luft, erfüllt vom Geruch nach Jod, Schweiß und Kaffee, strömte heraus, als sich die Tür des Bauernhauses öffnete. Miller taumelte hinein, die Frau noch immer auf dem Rücken, und spürte, wie ihm die Hitze wie ein Schlag ins Gesicht schlug. Irgendwo hinter ihm überschritt Anna die Schwelle und starrte auf saubere Laken und Metallbetten. Dieser Anblick schockierte sie mehr als jede Granatenexplosion, die sie je erlebt hatte.
Doch was sie in der beengten, überfüllten Versorgungsstation erwartete, sollte ihre Überzeugungen noch mehr erschüttern als der Sturm. Im Inneren des Bauernhauses umfing sie eine wohlige Wärme wie eine Decke. In der Ecke glühte ein großer gusseiserner Ofen. Nasse Wolle dampfte. Der Raum roch nach Kaffee, Jod, Schweiß und gekochtem Kohl. Verglichen mit dem weißen Sturm draußen wirkte es wie eine andere Welt.
Amerikanische Sanitäter handelten schnell. Sie hatten das schon oft getan. Eine kleine Feldlazarettstation wie diese mit nur 20 Betten konnte an einem anstrengenden Tag 80 bis 100 Männer versorgen und die meisten anschließend in größere Lazarette im Hinterland verlegen. Nun mussten sie neben ihren eigenen Verwundeten auch sieben halb erfrorene deutsche Frauen retten.
„Ziehen Sie die Stiefel vorsichtig aus“, befahl ein Kapitän. Thermometer gleiteten unter die Zungen und in die Achselhöhlen. „Die normale Körpertemperatur beträgt 37 Grad.“ Zwei der Frauen hatten 34 Grad, eine 32 Grad; bei einer niedrigeren Temperatur könnte das Herz ohne Vorwarnung aussetzen. Sie schnitten die steifen Strümpfe auf und hielten die grau geschwollenen Füße in behandschuhten Händen. Manche Zehen waren weiß und hart und völlig gefühllos.
„Erfrierungen zweiten, vielleicht dritten Grades“, murmelte ein Sanitäter. Er hatte das erst wenige Wochen zuvor an amerikanischen Füßen in den Ardennen gesehen. Die Frauen erwarteten eine grobe Behandlung. Stattdessen bekamen sie Decken, warme Getränke und ruhige, aber bestimmte Stimmen. „Nimm, nicht schluck“, sagte eine Krankenschwester langsam zu Anna und führte ihr eine Tasse dünne Suppe an die Lippen. „Zu schnell wird dir schlecht.“
Die Suppe schmeckte nach Salz, Fett und Karotten. Für Anna schmeckte sie nach Leben. Später schrieb sie: „Sie gaben uns dieselben Decken wie ihren eigenen Jungen, dieselbe Suppe. Ich sah, wie die Krankenschwester einen verwundeten Amerikaner zudeckte und mich dann mit einer anderen Decke aus demselben Stapel zudeckte. Diese Gleichförmigkeit zerriss mir das Herz.“ Der Widerspruch war schmerzhaft und offensichtlich.
Jahrelang hatte der deutsche Rundfunk geschrien, die Amerikaner seien brutal und gierig, sie würden deutsche Gefangene aushungern und demütigen. Doch hier tasteten amerikanische Hände den Puls, teilten Kaffee und sprachen leise miteinander, während draußen der Sturm erbarmungslos tobte. In einer Ecke standen Metallregale mit Stapeln von Rationen. Eine Standard-Feldration der USA enthielt damals etwa 300 bis 500 Kalorien pro Tag.
Fleischkonserven, Kekse, Schokolade, Zucker. Deutsche Soldaten lebten am Ende des Krieges oft von weniger als 1/500 Kalorien. Dünne Suppe, Schwarzbrot, manchmal nur Kartoffeln. Eine Krankenschwester, nicht älter als 20, starrte mit großen Augen auf die Regale. „So viel Essen, das einfach nur da ist?“, flüsterte sie auf Deutsch. „Wir haben gegen einen so reichen Feind gekämpft.“
Die Amerikaner waren auf andere Weise genauso erschüttert. Nachdem sich die Lage beruhigt hatte, saß Miller mit ausgezogenen Stiefeln und dampfenden Socken auf einer Kiste neben dem Ofen. Jenkins rieb sich die tauben Hände und spürte noch immer das Gewicht der Frau, die er getragen hatte. „Glaubt ihr, sie hätten dasselbe für uns getan?“, fragte ein Soldat. Seine Stimme klang müde, nicht verbittert, eher wie eine ehrliche Frage als eine Klage.
Diaz zuckte mit den Achseln. „Vielleicht, vielleicht auch nicht“, sagte er. „Ist egal. Wir haben das getan, damit wir nachts ruhig schlafen können, nicht wegen dem, was sie tun würden.“ Miller hörte zu und starrte auf die Dielen. Jahre später erzählte er einem Interviewer: „Ich hasste, was die deutsche Armee getan hatte. Ich hatte unsere eigenen Jungs in Stücke gerissen zurückkommen sehen, aber als ich diese Frauen trug, hörte ich auf, Deutschland zu sehen, und sah nur noch Gesichter. Das ist das Schlimmste am Krieg: sich daran zu erinnern, dass in der Uniform ein Mensch steckt.“
In ihrem Tagebuch versuchte Anna, ihre eigene Verwirrung festzuhalten. Ich hatte den Plakaten, den Filmen, den Reden geglaubt. Feinde waren Monster. Doch der Mann, der mich den letzten Hügel hinaufgetragen hatte, zitterte vor Kälte und Anstrengung. Als er mich absetzte, lächelte er nur schwach. Es war nicht das Lächeln eines Mannes. Es war das müde Lächeln eines Mannes, der etwas Schweres geschafft hatte und froh war, dass es vorbei war. Die Frauen blieben noch einige Zeit am Bahnhof.
Ihre Füße waren in weiche Verbände gewickelt. Finger, die sonst schwarz geworden wären, wurden gerettet. Einige Zehen gingen verloren. Alle überlebten. Nachts lagen sie in sauberen Laken und lauschten dem Schnarchen, Husten und Träumen der amerikanischen Soldaten im Nebenzimmer. Die dünne Wand zwischen ihnen wirkte seltsam, angesichts der Nähe des Todes auf dem Weg.
Die Nachricht vom Marsch verbreitete sich nur wenig. Der Krieg tobte noch immer. In jenen Wochen nahmen US-Truppen in Europa Zehntausende weitere Deutsche gefangen. In den Berichten wurden die sieben Frauen aus Hildorf zu bloßen Nummern in der Kolonne der US-amerikanischen Soldaten. Doch in den privaten Seiten eines deutschen Tagebuchs, in den stillen Erinnerungen einiger amerikanischer Soldaten, blieb die stürmische Nacht lebhaft in Erinnerung.
Es sollte viele Jahre dauern, bis irgendjemand davon erfuhr und die Tragweite seiner Nachwirkungen begriff. Nach Kriegsende im Mai 1945 gingen die Menschen jener Nacht getrennte Wege. Die amerikanischen Soldaten fuhren mit Lastwagen und Schiffen zurück über den Ozean. Die deutschen Frauen passierten überfüllte Sammelstellen, lange Schlangen, gerufene Namen und das Klappern von Feldflaschen, bevor sie in größere P-Lager gebracht wurden.
Insgesamt kapitulierten 1945 über sieben Millionen deutsche Soldaten vor den Westalliierten. Unter ihnen waren mehrere Tausend Frauen aus Fernmelde-, Flak- und Sanitätseinheiten. Sie waren nur ein kleiner Teil dieser Millionen, unbedeutende Zeilen in dicken Berichten. Anna verbrachte fast ein Jahr in einem britischen Lager. Sie schlief in einer Holzbaracke, die nach feuchten Brettern, Kohlenrauch und billiger Seife roch.
Sie erhielt etwa 2000 Kalorien am Tag: Brot, Margarine, dünnen Eintopf, manchmal Marmelade. Es war mehr Essen als in den Monaten vor ihrer Gefangennahme, aber weit weniger als die amerikanischen Rationen von 3500 Kalorien, die sie wie selbstverständlich verteilt gesehen hatte. „Wir hatten alles verloren“, schrieb sie später. „Unsere Städte, unseren Stolz, unseren Glauben an den Sieg. Aber im Lager verlor ich auch den Glauben daran, dass der Feind ein Monster war. Dieser Verlust schmerzte, aber es war ein guter Schmerz.“
Die meisten Frauen sprachen nach ihrer Heimkehr nicht über ihre Zeit als Gefangene. In den zerstörten deutschen Städten wollten die Menschen Geschichten vom Widerstand hören, nicht von der Kapitulation. Ehemalige Kriegsgefangene verbargen oft ihren Status. Anna heiratete, zog ihre Kinder in einer kleinen Wohnung groß, die immer nach gekochten Kartoffeln und Wäsche roch, und stellte ihr dünnes Tagebuch auf ein hohes Regal.
In Amerika versuchten Miller, Diaz und die anderen ebenfalls, ein normales Leben zu führen. Sie schlossen sich den Millionen von Veteranen an, die zwischen 1945 und 1946 zurückkehrten. Insgesamt waren es über acht Millionen US-Soldaten. Sie arbeiteten in Fabriken, studierten dank des GI Bill, unterrichteten an Schulen und reparierten Autos. Wenn sie vom Krieg sprachen, erzählten sie von großen Schlachten. Nicht von einer einzigen Nacht im Schneesturm mit sieben deutschen Frauen.
Erst im hohen Alter setzten sich einige von ihnen mit Tonbandgeräten und geduldigen Interviewern hin. Ein pensionierter Lehrer namens Miller, dessen Hände von Altersflecken gezeichnet waren, beschrieb den Marsch. „Wir sollten die Sieger sein“, sagte er mit rauer Stimme auf dem alten Tonband. „Aber da draußen im Schnee, mit den Mädchen auf dem Arm, fühlte ich mich eher wie ein Schüler. Ich fand heraus, was für ein Mann ich sein wollte.“
Diese Zeile brachte den Kern des Paradoxons auf den Punkt. Sie waren als Eroberer gekommen. Sie gingen als Schülerinnen. Jahrzehnte später stieß eine junge deutsche Wissenschaftlerin, die die Rolle der Frauen in der Vermuckt erforschte, in einer Familienkiste auf Annas Tagebuch. Das Papier roch nach Staub und alter Tinte, die enge Handschrift erzählte von Propagandaunterricht, von Hunger, von Angst und schließlich davon, wie amerikanische Arme sie aus dem Schnee hoben.
Auf der anderen Seite des Ozeans hörte eine amerikanische Doktorandin in einem stillen Archivraum Millers Tonbandaufnahmen, während das Gerät leise ratterte. Sie überprüfte die Akten seiner Einheit und fand in einem Bericht vom Februar 1945 eine kurze Notiz: „Sieben weibliche Sanitäterinnen bei extremen Wetterbedingungen zu einer Feldlazarettstation im Hinterland eskortiert. Alle lebend angekommen.“ Nur eine Zeile unter vielen Seiten voller Zahlen.
Zahlen, Tagebuch, Tonband. Diese Teile ergaben ein klares Bild. Eine kleine Geste, die in einem gewaltigen Krieg beinahe untergegangen wäre, hatte Grenzen und Generationen überschritten. Annas Kinder wuchsen mit der Geschichte auf, dass Amerikaner ihrer Mutter die Füße und das Leben gerettet hatten. Millers Enkelkinder erfuhren, dass ihr Großvater einst seinen Rucksack im Schnee fallen gelassen hatte, um einen Feind tragen zu können.
Weil sie uns trugen, konnte ich später meine eigenen Kinder tragen. Anna schrieb kurz vor ihrem Tod an einen Historiker. So wirkt Barmherzigkeit durch die Zeit. Eine Nacht im Schnee wird zum Segen für viele weitere Leben. Nationen werden wieder aufgebaut. Feinde werden zu Handelspartnern und Verbündeten. Westdeutschland und später das vereinte Deutschland standen in neuen Bündnissen an der Seite der Vereinigten Staaten. Die Hauptgründe dafür liegen in Politik, Geld und Strategie.
Doch zwischen den Zeilen verbirgt sich auch ein stillerer Grund: Tausende kleiner Begegnungen, in denen Menschen sich menschlich verhielten, obwohl sie es nicht mussten. Letztendlich ist die Lehre aus diesem stürmischen Marsch einfach, aber hart: Wahre Stärke liegt nicht allein in Waffen, Panzern oder Plänen.
Es ist jener Augenblick, in dem ein erschöpfter Soldat beschließt, jemanden mitzunehmen, von dem man ihm gesagt hat, er sei nicht lebensnotwendig. Im historischen Kontext betrachtet war der Schneesturm bei Hildorf nur eine Nacht, in die einige Soldaten und sieben Frauen verwickelt waren. Doch er offenbarte eine Wahrheit, die große Reden und Plakate oft verschleiern. Die Propaganda behauptete, Feinde seien weniger als Menschen. Die Realität zeigte, dass sie zitterten, stolperten und hofften wie alle anderen.
Diese Amerikaner hätten den einfachen Weg wählen und ihre Gefangenen dem Sturm überlassen können. Stattdessen wählten sie den beschwerlicheren Weg, Schritt für Schritt durch Eis und Wind, bis Wärme und Licht vor ihnen warteten. Dank dieser Entscheidung konnten Leben weitergehen, Familien gegründet und Geschichten auf beiden Seiten des Ozeans erzählt werden.
Am Ende liegt die größte Macht einer Nation nicht nur in ihren Waffen, sondern in ihrem Willen, sich daran zu erinnern, dass auch ein Feind noch ein Mensch ist.



