Schämt euch!“: Dresdner Bürger rechnen mit Kanzler Merz ab – Ein ungeschönter Blick auf Wut, Angst und den totalen Vertrauensbruch.H
8-11 minutes 10/31/2025
Es sollte ein Antrittsbesuch sein, ein Zeichen der Präsenz des Kanzlers im Osten der Republik. Doch als Friedrich Merz, nach vielen Monaten seiner Kanzlerschaft, erstmals die Staatskanzlei in Dresden betrat, schlug ihm nicht nur die kühle Herbstluft entgegen, sondern eine Welle purer, unverfälschter Verachtung. Auf den Straßen der sächsischen Hauptstadt fand an diesem Tag kein Dialog statt. Es war eine öffentliche Abrechnung. “Shame on you, CDU!” – “Schämt euch!”, hallte es ihm von einer kleinen, aber lauten Gruppe von Demonstranten entgegen. Doch dieser organisierte Protest war nur das Vorspiel zu dem, was sich in den Gesichtern und Worten der normalen Bürger abspielte. Es war die Stimme eines Teils des Volkes, der sich abgehängt, verraten und nicht mehr sicher im eigenen Land fühlt.
Der Kanzler, der mit dem Versprechen angetreten war, die CDU zu erneuern und das Land zu einen, sah sich in Dresden mit einer Realität konfrontiert, die in den Berliner Regierungsvierteln oft nur als fernes Rauschen wahrgenommen wird. Die Bürger, die sich vor laufender Kamera äußerten, hielten mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg. “Von ihm halte ich jetzt nicht so viel”, war noch eine der höflicheren Formulierungen. Die meisten waren deutlicher: “Wir halten von ihm überhaupt nichts. Das sage ich Ihnen ganz ehrlich. Wir sind froh, wenn es den nicht mehr gibt.”

Diese Wut ist kein abstraktes politisches Phänomen. Sie speist sich aus tief sitzenden Ängsten und konkreten Alltagserfahrungen. Das zentrale Thema, das Kanzler Merz selbst mit seiner “Stadtbilddebatte” angestoßen hatte, wurde von den Dresdnern bereitwillig aufgenommen – und radikalisiert. Merz hatte die Verrohung und Unsicherheit in deutschen Innenstädten thematisiert, doch was die Bürger daraus machten, war eine Generalanklage gegen seine gesamte Migrations- und Gesellschaftspolitik.
Eine Frau, die angab, genau aus diesem Grund aus Deutschland ausgewandert zu sein, brachte es auf den Punkt: “Alleine in Großstädte reinzugehen als Frau ist ja relativ unsicher geworden. So nachts irgendwo hinzugehen alleine, hast du gar nicht die Möglichkeit.” Sie zog einen vernichtenden Vergleich: “Egal ob ich ins Ausland, ob das jetzt Türkei ist, Dubai, Malta, wo ich jetzt war, Kanaren – da kannst du als Frau alleine rausgehen und das ist einfach sicher. Und das kann dir der Kanzler hier nicht mehr garantieren.” Diese Worte sind ein Schlag ins Gesicht einer Regierung, die die öffentliche Sicherheit als eines ihrer Kernversprechen betrachtet.
Diese empfundene Unsicherheit wird von den Bürgern auf der Straße direkt und ohne Umschweife mit der Migration verknüpft. Die Wut entlädt sich in Sätzen, die in ihrer Härte schockieren und die in den meisten etablierten Medien so nicht zu hören sind. “Wir haben zu viel Ausländer”, sagt eine ältere Dame bestimmt. Sie berichtet aus ihrer Heimatstadt Risa, wo sich “die Leute nicht mehr auf den… Buschgplatz trauen, abends rumzugehen.” Eine andere Bürgerin wird noch deutlicher, als sie gefragt wird, was sie am Stadtbild störe: “Dass manche meinen, sie müssen so auftreten, wie sie daheim auftreten, obwohl sie hier eigentlich Gäste sind oder in Deutschland Gäste sind, beziehungsweise sich hier auf unsere Kosten sanieren lassen.”
Dieses Gefühl, dass einheimische Bürger die Zeche für eine verfehlte Politik zahlen, ist der emotionale Kern der Wut. Es ist der Nährboden für eine Anklage, die weit über das Thema Sicherheit hinausgeht. Es ist die Anklage des “kleinen Mannes”, der sich ausgeplündert fühlt. Ein Demonstrant mit einem Protestschild bringt es auf den schrecklich einfachen Punkt: “Der ganze Sozialstaat wird geplündert für die Ausländer. Die haben nicht eine müde Mark reingezag und haben noch die große Fresse.”
Diese Worte, roh und voller Zorn, finden ein Echo bei anderen Passanten. “Unsere Gelder werden verschwendet. Für die einheimische Bevölkerung ist kein Geld da,” klagt eine Frau. “Wenn wir uns die Schulen angucken, die alten Leute und alles, was alles Geld kostet…” Ein anderer Mann, befragt zur Politik von Merz, wird fundamental: “Soll das Geld, wo er hier verbrast, dahingeben, wo es hin tut… Wo soll das hin? Da, wo es in Deutschland fehlt: Infrastruktur, Soziale Dienste und so weiter und so fort.” Stattdessen, so der einhellige Tenor, würde Kanzler Merz “das ganze Geld ins Ausland schaffen”, während die eigene Bevölkerung “in die Röhre guckt”.

Friedrich Merz selbst wird zur Projektionsfläche all dieser Frustration. Er wird nicht als Staatsmann wahrgenommen, sondern als Symbol einer abgehobenen Politikerkaste. Die Bürger trauen ihm nicht über den Weg. Seine Politik sei “widersprüchlich”, klagt eine Frau. “Heute so, morgen so, wie die Fahne weht. Ganz schlecht.” Ein anderer nennt ihn schlicht einen “Lügner”, der “für Deutschland gar nichts tut”.
Die härteste Kritik zielt auf die wahrgenommene Heuchelei des Kanzlers. Die Bürger haben sehr wohl registriert, dass Merz die “Stadtbilddebatte” angestoßen hat, doch sie glauben ihm nicht, dass er es ernst meint. “Teils richtig, teils nicht”, sagt ein Mann. “Da ist jetzt ein bisschen was passiert, die Leute werden jetzt auch immer stutziger und jetzt muss er was sagen. Aber übermorgen macht er das wieder anders.” Auf die Frage, ob er glaube, Merz werde für mehr Abschiebungen sorgen, lacht der Mann nur verächtlich: “Gar nicht. Das ist ja das System mit der Abschiebung oder mit der Einladung hier rein… Die schieben ab und bringen neue rein. Die ganzen Afghanen kommen jetzt rein, da verschicken sie die Syrer hin. Also so ein Käse.” Der ultimative Rat ist simpel und brutal: “Sollen sie alle rausschiffen, die nicht arbeiten gehen hier.”
Zu dieser existenziellen innenpolitischen Angst gesellt sich bei manchen Bürgern eine weitere, fast schon apokalyptische Furcht: die Angst vor einem großen Krieg. Ein Passant artikuliert ein Unbehagen, das offenbar unter der Oberfläche brodelt: “Weil die ganze Politik jetzt auf Kriegsfuß steht. Weil sie Krieg wollen. So kommt einem das vor. Die ganze Propaganda richtet sich Richtung Krieg.” Auf die konkrete Frage, ob es mit Kanzler Merz einen Krieg mit Russland geben könnte, lautet die Antwort ohne Zögern: “Ja, kann ich mir sehr gut vorstellen.”
In diesem explosiven Gemisch aus Abstiegsangst, Unsicherheit, Wut auf “die da oben” und einer diffusen Kriegsangst gibt es für viele dieser Bürger nur noch ein politisches Ventil, eine Partei, der sie die Lösung zutrauen: die AfD.
Der vielleicht aufschlussreichste Teil der Dresdner Straßenbefragung ist die totale und einstimmige Ablehnung der “Brandmauer” gegen die AfD. Diese von der CDU und Merz selbst immer wieder betonte politische Doktrin wird von den Befragten als Arroganz der Macht und als Missachtung des Wählerwillens empfunden.
“Was halten sie von der Brandmauer? Nur gar nichts. Das ist das Schlimmste, was es gibt. Das gibt’s eigentlich gar nicht”, sagt ein Mann. Eine Frau bezeichnet die Ausgrenzung der AfD im Bundestag als “sehr, sehr, sehr schade”. Sie bekennt sich offen: “Ich habe selber die AfD gewählt” und bezeichnet eine prominente Politikerin der Partei als “die beste Frau ever für mich”. Doch sie fügt resigniert hinzu: “Aber sie haben keine Chance. Unterdrückung nennt man sowas.”

Ein anderer Mann wählt juristischere Worte für denselben Gedanken: “Finde ich politisch Schwachsinn. Ist eine Partei, die demokratisch da ist, gewählt ist. Und da muss man zusammenarbeiten, wenn es vernünftige Argumente sind.” Die Bürger haben die Taktik der etablierten Parteien längst durchschaut. Sie werfen Merz vor, ein doppeltes Spiel zu spielen: “Er hat ja vieles schon übernommen von der AfD, aber das gibt er ja nicht zu.” Der Grund dafür sei offensichtlich: “Er hat Angst um seinen Platz. Und nicht nur er, sondern die ganze Regierung. Die haben Angst um ihre Position, die sie jetzt innehaben.”
Der Antrittsbesuch von Friedrich Merz in Dresden wurde so zu einem Debakel. Er offenbarte eine Kluft zwischen der Regierung und einem wütenden Teil des Volkes, die unüberbrückbar scheint. Die Bürger, die hier zu Wort kamen, fühlen sich nicht nur schlecht regiert. Sie fühlen sich existenziell bedroht in ihrer Sicherheit, ihrem Wohlstand und ihrer kulturellen Identität. Sie glauben den Versprechungen des Kanzlers nicht mehr und sehen in seiner Politik – von der Migration über die Finanzen bis zur “Brandmauer” – einen einzigen großen Verrat.
Merz mag nach Dresden gekommen sein, um Präsenz zu zeigen. Was er erntete, war die geballte Wut von Bürgern, die sich längst abgewendet haben und ihre Hoffnung auf die einzige Kraft setzen, die von Merz und seinem System als Feind definiert wird. Die Rufe “Shame on you” galten dem Kanzler, doch sie waren auch ein Echo auf seine eigene Politik der Ausgrenzung, die von den Menschen auf der Straße als “Schwachsinn” und “Unterdrückung” demaskiert wird.



