Uncategorized

Mein kleines Wunder – ein letzter Brief von der Schwelle des Krieges.H

heute warst du genau drei Tage auf dieser Welt. Und heute, an einem kalten Morgen im Februar 1942, wurde mir befohlen, an die Front zurückzukehren. Ich schreibe dir diese Zeilen, während du ruhig in den Armen deiner Mutter schläfst – so klein, so friedlich, als gäbe es keinen Krieg da draußen.

Ich habe dich nur einmal im Arm gehalten. Nur ein einziges Mal. Aber dieser Moment hat sich für immer in mein Herz eingebrannt. Deine Haut war weich wie frischer Schnee, deine Augen noch geschlossen, als wolltest du die Welt noch nicht sehen. Vielleicht ist das besser so.

Có thể là hình ảnh đen trắng về 2 người và trẻ em

Als Soldat habe ich viel gesehen – zu viel. Ich habe gelernt, wie kalt der Winter in Russland ist, wie laut die Stille nach einem Gefecht sein kann und wie leer ein Herz wird, wenn es sich nach etwas sehnt, das unerreichbar scheint. Doch nichts hat mich vorbereitet auf das, was ich empfand, als ich dich das erste Mal ansah: Hoffnung.

Du bist meine Hoffnung, Emma.

Ich weiß nicht, ob ich je zurückkehren werde. Und wenn doch – werde ich dich erkennen? Wird deine Stimme mich rufen können, obwohl ich sie nie gehört habe? Wird dein Lachen mein Herz erreichen, das durch so viele Schrecken hindurchgegangen ist?

Die Welt, in die du geboren wurdest, ist eine zerbrochene. Männer töten Männer, Mütter weinen, und Kinder wie du wachsen auf mit Briefen statt mit Vätern. Ich wünsche dir eine andere Welt. Eine, in der du nicht verstehst, was Gewehr, Marschbefehl oder Front bedeuten. Eine Welt, in der dein größtes Problem ist, welches Kleid du zum Schulanfang tragen möchtest.

Wenn du alt genug bist, diesen Brief zu lesen, wirst du Fragen haben. Warum ich gegangen bin. Warum ich nicht bei dir blieb. Die Antwort ist nicht einfach. Ich wurde gerufen. Und wie so viele ging ich – aus Pflicht, aus Angst, vielleicht auch, weil ich dachte, ich tue das Richtige.

Aber ich weiß jetzt: Das einzig Richtige warst du.

Wenn du mich eines Tages vermisst – such mich nicht in Uniformen, in Heldenliedern oder in alten Fotos von Zügen voller Soldaten. Such mich in dem Wind, der leise durchs offene Fenster streicht. In der Wärme der Sonne auf deiner Wange. In dem Lächeln deiner Mutter, wenn sie an mich denkt. Dort bin ich. Immer.

Halte deine Mutter gut fest, meine Kleine. Sie ist stärker, als es scheint. Sie wird dir Geschichten erzählen, vielleicht auch von mir. Und jedes Mal, wenn sie deinen Namen sagt, werde ich es hören – wo auch immer ich dann bin.

Ich nehme den Duft deines ersten Morgens mit, das zarte Gewicht deines Körpers auf meiner Brust und das Zittern in meiner Stimme, als ich dich „meine Tochter“ nannte.

Was bleibt, ist Liebe.

Dein Papa.

LEAVE A RESPONSE

Your email address will not be published. Required fields are marked *