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- Die Siegessäule, eingeweiht 1873, wurde 1939 vom Reichstag zum Großen Stern verlegt. Mehr Fotos unten in den Kommentaren.H
Die Siegessäule, eingeweiht 1873, wurde 1939 vom Reichstag zum Großen Stern verlegt. Mehr Fotos unten in den Kommentaren.H
Die Siegessäule gehört zu den bekanntesten Wahrzeichen Berlins und spiegelt wie kaum ein anderes Bauwerk die wechselvolle Geschichte Deutschlands wider. Eingeweiht wurde sie im Jahr 1873, in einer Zeit, in der das neu gegründete Deutsche Kaiserreich seinen militärischen Erfolg und seine nationale Einheit selbstbewusst inszenierte. Ursprünglich stand die Siegessäule auf dem Königsplatz, dem heutigen Platz der Republik, in direkter Nähe zum Reichstag. Schon damals war sie mehr als ein Denkmal – sie war ein politisches Symbol.

Errichtet wurde die Siegessäule zur Erinnerung an die sogenannten Einigungskriege: den Deutsch-Dänischen Krieg von 1864, den Deutschen Krieg von 1866 und den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71. Diese Konflikte führten zur Reichsgründung unter preußischer Führung. Die vier Reliefs am Sockel sowie die Kanonenrohre, die zur Gestaltung der Säule verwendet wurden, sollten militärische Stärke und nationale Überlegenheit demonstrieren. Gekrönt wird das Monument von der vergoldeten Viktoria, von den Berlinern liebevoll „Goldelse“ genannt.
Im Laufe der Jahrzehnte wandelte sich jedoch die Bedeutung der Siegessäule. Während sie im Kaiserreich Stolz und Triumph symbolisierte, wurde sie in der Weimarer Republik zunehmend Teil eines umstrittenen historischen Erbes. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten erhielt das Bauwerk erneut eine neue Rolle. Adolf Hitler und sein Architekt Albert Speer planten eine umfassende Umgestaltung Berlins zur sogenannten „Welthauptstadt Germania“. In diesem Zusammenhang wurde 1939 entschieden, die Siegessäule vom Königsplatz an den Großen Stern im Tiergarten zu versetzen.
Die Verlegung war ein gigantisches Unterfangen. Das Monument wurde Stein für Stein abgetragen, transportiert und am neuen Standort wieder aufgebaut. Gleichzeitig wurde die Säule erhöht: Ein zusätzlicher Trommelring wurde eingefügt, wodurch sie ihre heutige Höhe von rund 67 Metern erreichte. Diese bauliche Veränderung passte zur nationalsozialistischen Monumentalarchitektur, die auf Größe, Dominanz und Inszenierung von Macht setzte. Am Großen Stern wurde die Siegessäule Teil einer monumentalen Ost-West-Achse, die für militärische Paraden und Propagandaveranstaltungen genutzt werden sollte.
Der Zweite Weltkrieg überstand die Siegessäule vergleichsweise unbeschadet, obwohl große Teile Berlins zerstört wurden. Nach 1945 lag sie im britischen Sektor der geteilten Stadt. Es gab Überlegungen, das Denkmal aufgrund seiner militaristischen Vergangenheit abzureißen. Letztlich entschied man sich jedoch dagegen – auch, weil die Siegessäule längst ein fester Bestandteil des Stadtbildes geworden war. Stattdessen begann eine langsame Umdeutung: vom Kriegsdenkmal hin zu einem historischen Monument, das zur kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit einlädt.
In den Jahrzehnten nach dem Krieg erlebte die Siegessäule einen weiteren Bedeutungswandel. Sie wurde zunehmend zu einem touristischen Anziehungspunkt und zu einem Ort kultureller Veranstaltungen. Besonders bekannt ist sie heute als zentrales Symbol der Love Parade, die ab den 1990er-Jahren Hunderttausende Menschen aus aller Welt anzog. Musik, Tanz und Vielfalt ersetzten militärische Paraden – ein starker Kontrast zur ursprünglichen Intention des Bauwerks.
Auch im vereinten Deutschland bleibt die Siegessäule ein ambivalentes Denkmal. Einerseits erinnert sie an Kriege und nationalistische Ideologien, andererseits steht sie heute für Offenheit, Wandel und die Fähigkeit einer Gesellschaft, ihre Geschichte neu zu deuten. Von der Aussichtsplattform bietet sich ein weiter Blick über Berlin – über eine Stadt, die mehrfach zerstört, geteilt und wieder aufgebaut wurde.
Die Geschichte der Siegessäule zeigt, wie eng Architektur und Politik miteinander verbunden sind. Ihre Verlegung im Jahr 1939 war kein rein städtebaulicher Akt, sondern Ausdruck eines ideologischen Machtanspruchs. Dass sie heute friedlich im Herzen Berlins steht, umgeben von Grün, Verkehr und Leben, macht sie zu einem stillen Zeugen der deutschen Geschichte – mit all ihren Brüchen, Irrwegen und Neubeginnen.




