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Der Fall Wolfram Weimer: Käufliche Politik und Bilanz-Ungereimtheiten – Droht dem Kanzleramt ein Justiz-Erdbeben? .H

Berlin – Es sollte der glanzvolle Beginn einer neuen Ära unter Bundeskanzler Friedrich Merz werden. Mit dem Verleger Dr. Wolfram Weimer holte sich der CDU-Chef einen konservativen Intellektuellen und Medienprofi als Kulturstaatsminister ins Kabinett, der den „Geist der Freiheit“ wiederbeleben sollte. Doch kaum im Amt, droht der schillernde Neuzugang zur größten Belastung für die noch junge Regierung zu werden. Die Vorwürfe, die derzeit gegen Weimer und sein Firmengeflecht erhoben werden, sind nicht nur politisch pikant – sie haben das Potenzial, strafrechtliche Konsequenzen nach sich zu ziehen, die bis hin zu einer Haftstrafe reichen könnten.

Das Geschäft mit der Macht: „Lobby-Tinder“ am Tegernsee

Im Zentrum des Skandals steht die „Weimer Media Group“, die Wolfram Weimer gemeinsam mit seiner Frau Christiane Goetz-Weimer führt – oder bis vor kurzem führte. Das Unternehmen veranstaltet jährlich den „Ludwig-Erhard-Gipfel“ am Tegernsee, ein Treffen der deutschen Elite, das gerne als „deutsches Davos“ bezeichnet wird. Was nach außen hin als ehrenwerte Plattform für den wirtschaftspolitischen Diskurs daherkommt, entpuppt sich bei einem Blick in die Sponsoring-Unterlagen als knallhartes Geschäft mit dem Zugang zur Macht.

Recherchen haben enthüllt, dass Unternehmen dort sogenannte „Pakete“ buchen konnten, die Namen wie „Zugspitze“, „Matterhorn“ oder „Mont Blanc“ tragen. Das teuerste Paket, „Mont Blanc“, kostete stolze 80.000 Euro. Was bekam man dafür? Nicht nur Logopräsenz und Standfläche, sondern – und hier wird es brisant – die Teilnahme an der „Executive Night“, einem exklusiven Abendessen mit Ministern und Entscheidungsträgern. In den Broschüren wurde ganz unverblümt mit „Einfluss auf die politischen Entscheidungsträger“ geworben.

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Kritiker sprechen von „Lobby-Tinder“ und Korruption. Dass ein amtierender Staatsminister, der direkt im Kanzleramt sitzt, bis vor kurzem Anteile an einer Firma hielt, die politische Kontakte gegen Geld verkauft, ist ein Vorgang, der in der Geschichte der Bundesrepublik seinesgleichen sucht. Zwar hat Weimer seine Geschäftsführung niedergelegt und angekündigt, seine Anteile an einen Treuhänder zu übergeben, doch der Makel bleibt. Denn die Gewinne bleiben im Familienbesitz, und der Einfluss ist verkauft.

Bilanz-Chaos: Wo ist die halbe Million?

Doch als wäre der Vorwurf der Käuflichkeit nicht genug, wiegt ein weiterer Verdacht womöglich noch schwerer: Bilanzbetrug. Eine detaillierte Analyse der veröffentlichten Jahresabschlüsse der Weimer Media Group für die Jahre 2022 und 2023 offenbart Ungereimtheiten, die sich nicht mehr mit bloßen „Buchungsfehlern“ erklären lassen.

Werden Bilanzen erstellt, müssen die Endbestände des einen Jahres exakt den Anfangsbeständen des Folgejahres entsprechen. Das ist das kleine Einmaleins der Buchführung. Doch bei Weimer klaffen hier Lücken von astronomischem Ausmaß. Während die Bilanz 2022 mit Forderungen in Höhe von 1,231 Millionen Euro schloss, startete das Jahr 2023 plötzlich nur noch mit 754.000 Euro. Wo sind die knapp 477.000 Euro Differenz geblieben? Haben sie sich in der Silvesternacht in Luft aufgelöst?

Auch die Bilanzsumme selbst weist eine unerklärliche Differenz von fast einer halben Million Euro auf. Solche Diskrepanzen sind im Handelsrecht nicht vorgesehen und deuten auf massive Unregelmäßigkeiten hin. Sollte hier geschönt, getrickst oder verschleiert worden sein, um beispielsweise Kreditwürdigkeit vorzutäuschen oder Fördergelder zu sichern, stünde der Straftatbestand des Bilanzbetrugs im Raum. Für einen Geschäftsführer – und das war Weimer zu diesem Zeitpunkt – bedeutet das persönliche Haftung und im schlimmsten Fall: Gefängnis.

Kultur-Staatsminister Weimer überträgt seine Company-Anteile an Treuhänder

Die Flucht der Ehefrau

Wie ernst die Lage ist, zeigt die Reaktion von Christiane Goetz-Weimer. Die Verlegerin und Ehefrau des Ministers sollte eigentlich in Kürze den Bayerischen Verdienstorden erhalten. Doch angesichts der erdrückenden Last der Vorwürfe zog sie nun die Reißleine und verzichtete vorerst auf die Auszeichnung. Offiziell, um Schaden vom Amt abzuwenden. Inoffiziell wohl eher, weil die Verleihung zu einem Spießrutenlauf geworden wäre. Denn auch der Verdienstorden selbst gerät ins Zwielicht: Erhielt sie ihn für ihre verlegerische Tätigkeit, die nun unter Betrugsverdacht steht?

Urheberrechtsverletzungen im großen Stil?

Zu allem Überfluss droht Ungemach von einer weiteren Front. Das zur Gruppe gehörende Portal „The European“ soll über Jahre hinweg Texte und Reden von Politikern veröffentlicht haben, ohne deren Einverständnis einzuholen oder Honorare zu zahlen. Betroffen sind prominente Namen wie Alice Weidel (AfD), aber auch Politiker der CSU. Die Rede ist von gewerbsmäßiger Urheberrechtsverletzung. Drei abgegebene Unterlassungserklärungen sprechen eine deutliche Sprache. Wenn ein Staatsanwalt dies als systematisches Geschäftsmodell wertet, kommt ein weiterer schwerer Straftatbestand hinzu.

Friedrich Merz in der Falle

Für Bundeskanzler Friedrich Merz ist die Causa Weimer der Super-GAU. Er wollte mit Weimer ein Signal für bürgerliche Intellektualität setzen. Nun hat er einen Minister im Kabinett, dessen geschäftliche Vergangenheit wie ein Mühlstein am Hals der Regierung hängt. Die Opposition wetzt bereits die Messer, und auch in der eigenen Partei rumort es. Wie lange kann Merz an einem Mann festhalten, gegen den derart massive Vorwürfe der Unredlichkeit und potenzieller Kriminalität im Raum stehen?

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Die „Unschuldsvermutung“ mag juristisch gelten, doch politisch ist Wolfram Weimer bereits schwer beschädigt. Wenn sich der Verdacht des Bilanzbetrugs erhärtet, wird aus dem Kulturstaatsminister schnell ein Fall für die Justizvollzugsanstalt. Und Friedrich Merz muss sich fragen lassen, wie genau er eigentlich hingeschaut hat, bevor er diesen Mann in das Zentrum der Macht holte. In Berlin wetten die ersten bereits darauf, wie lange Weimer sich noch halten kann. Es dürfte eine kurze Wette werden.

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