- Homepage
- Uncategorized
- Berlin in Bewegung: Ein Interzonenzug passiert den Alexanderplatz mit Blick auf den neu erbauten Fernsehturm, Anfang der 1970er-Jahre – Ein faszinierender Blick in den Alltag der geteilten Hauptstadt.H
Berlin in Bewegung: Ein Interzonenzug passiert den Alexanderplatz mit Blick auf den neu erbauten Fernsehturm, Anfang der 1970er-Jahre – Ein faszinierender Blick in den Alltag der geteilten Hauptstadt.H
Das hier gezeigte Foto fängt einen Moment ein, der heute wie ein Blick in eine ferne, fast unwirkliche Epoche wirkt: Berlin, Anfang der 1970er-Jahre. Die geteilte Stadt befindet sich mitten im Kalten Krieg, und doch herrscht auf den Straßen, Schienen und Plätzen ein ganz eigener Rhythmus des Alltags. Im Vordergrund windet sich ein Interzonenzug über die Hochbahntrasse, sein Ziel vielleicht Leipzig, Dresden oder gar Hamburg – abhängig davon, auf welcher Seite der Mauer man sich befindet. Diese Züge, die zwischen der DDR und der Bundesrepublik verkehrten, waren nicht nur Transportmittel, sondern auch stille Zeugen der politischen Spannungen und menschlichen Begegnungen jener Zeit.
Über der Szenerie ragt der Berliner Fernsehturm in den Himmel, damals noch neu und frisch glänzend. Mit seiner futuristischen Kugel und der schlanken Silhouette galt er als Prestigeprojekt der DDR, als architektonisches Symbol der sozialistischen Moderne. Fertiggestellt 1969, sollte er der ganzen Welt zeigen, dass Ost-Berlin nicht nur politisches Zentrum, sondern auch eine fortschrittliche Metropole war. Für viele Bürger der DDR war der Fernsehturm ein Stolz – für andere, besonders im Westen, ein sichtbares Zeichen der Teilung, das von fast überall in der Stadt aus zu sehen war.
Links im Bild erkennt man historische Bauwerke, darunter den markanten Turm des Roten Rathauses, Sitz des Ost-Berliner Magistrats. Zwischen diesen Gebäuden und den modernen Zugwaggons offenbart sich ein Kontrast, der Berlin bis heute prägt: das Nebeneinander von Vergangenheit und Gegenwart, Geschichte und Fortschritt.
Die Interzonenzüge selbst waren eine Besonderheit: streng kontrolliert, überwacht von Zollbeamten und Transportpolizisten, oft begleitet von einer spürbaren Anspannung bei den Fahrgästen. Wer von West nach Ost oder umgekehrt reiste, wusste, dass jede Tasche durchsucht, jedes Gespräch belauscht werden konnte. Trotzdem fuhren täglich Tausende Menschen mit – Familien, die sich gegenseitig besuchen durften, Geschäftsreisende, Diplomaten oder Westdeutsche, die mit Sondergenehmigung in die DDR reisten.
Der Alexanderplatz, den wir im Hintergrund erahnen, war damals schon ein zentraler Verkehrsknotenpunkt. Straßenbahnen, Busse und die S-Bahn brachten Menschen aus allen Teilen der Stadt hierher. Doch die Atmosphäre war im Ostteil Berlins eine andere als im Westen: Überall Symbole der DDR, politische Parolen an den Fassaden, Plakate, die zum „Aufbau des Sozialismus“ aufriefen. Zwischen Kaufhäusern und Wohnblocks mischten sich Arbeiter in Blaumännern mit Studenten, Soldaten in Uniform und Touristen aus den sozialistischen Bruderstaaten.
Die Schwarz-Weiß-Fotografie verleiht der Szene eine gewisse Zeitlosigkeit, doch wer genauer hinschaut, erkennt viele Details, die diese Aufnahme fest im historischen Kontext verankern: die kantigen Automodelle aus den 1960er- und frühen 1970er-Jahren, die Kleidung der Passanten, die Werbebanner in klarer DDR-Typografie. Auf der Hochbahnstrecke selbst sind die Waggons dunkel lackiert, mit kleinen, rechteckigen Fenstern – typisch für den internationalen Verkehr jener Zeit.
Auch die Luft scheint in dieser Aufnahme zu vibrieren vor Energie: Rauch und Dampf ziehen über die Gleise, als die Lokomotive ihre Fahrt fortsetzt. Die Geräuschkulisse, die man sich dazu denken kann, besteht aus dem rhythmischen Schlagen der Räder auf den Schienen, dem Quietschen der Bremsen, dem dumpfen Grollen der Motoren und dem fernen Summen der Straßenbahnen.
Für viele Berliner – egal ob im Osten oder Westen – waren solche Anblicke alltäglich und doch von tiefer Bedeutung. Sie erinnerten daran, dass trotz Mauer und Stacheldraht Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands existierten, wenn auch unter strengster Kontrolle. Die Züge waren wie Adern, durch die ein begrenzter, aber wichtiger Austausch floss.
Heute, Jahrzehnte nach dem Fall der Mauer, hat sich das Bild Berlins stark verändert. Der Fernsehturm steht noch immer, nun als Symbol der wiedervereinigten Stadt. Die Gleise, über die damals Interzonenzüge fuhren, sind heute Teil eines modernen Nah- und Fernverkehrsnetzes. Touristen strömen über den Alexanderplatz, Smartphones und bunte Kleidung prägen das Bild, und die alten Züge existieren nur noch in Museen oder auf historischen Fotografien wie dieser.
Gerade deshalb hat dieses Bild einen besonderen Wert: Es hält einen Augenblick fest, in dem Berlin noch klar geteilt, der Kalte Krieg auf seinem Höhepunkt, und die DDR in vollem Selbstbewusstsein war. Es erzählt von Bewegung – sowohl physisch durch den vorbeifahrenden Zug als auch historisch durch die ständige Veränderung der Stadt.
Vielleicht erinnert sich der eine oder andere Betrachter an eigene Fahrten mit einem Interzonenzug, an das Dröhnen der Lokomotive, den Blick aus dem Fenster auf das sich verändernde Stadtbild, die Mischung aus Neugier und Anspannung beim Passieren der Grenzkontrollen. Für jüngere Generationen bleibt es eine ferne Geschichte – doch eine, die in Bildern wie diesem lebendig bleibt.
So wird die Aufnahme zu mehr als nur einer Dokumentation des Verkehrs. Sie ist ein Fenster in eine Zeit, in der jedes Geräusch auf den Gleisen, jedes Plakat an der Wand und jede neue Architektur ein Stück Geschichte schrieb. Und sie erinnert daran, dass Berlin immer eine Stadt in Bewegung war – egal, wie hoch die Mauern oder wie tief die Gräben zwischen seinen Menschen auch gewesen sein mögen.